Berufliche Vorsorge - Grundriss für Studium und Praxis

Marc Hürzeler Berufliche Vorsorge Ein Grundriss für Studium und Praxis Helbing Lichtenhahn Verlag, Basel 2020, 559 und LX Seiten, CHF 128.–, ISBN 978­-3­-7190­-3837­-3

Rezension in der SZS


Es kommt nicht häufig vor, dass gleich beim Erscheinen eines Werks von einem «Standardwerk» gesprochen wird. Im vorliegenden Fall dürfte allerdings – trotz dem Vorliegen anderer, gehalt­ und wertvoller Darstellungen in Grundriss­, Handbuch­ und Kommentarform – in Fachkreisen bereits jetzt vom «Hür­zeler» die Rede sein, den man gerne und in erster Linie zu Rate zieht. Was aber qualifiziert dieses Buch des Luzerner Ordinarius gleich von Anfang an zu einem Standardwerk?

  • Es ist dies in erster Linie der umfassende Ansatz der Darstellung, der von den Grundlagen über das Organisations­, Leistungs­ und Beitragsrecht bis zum praktisch sehr wichtigen Vorsorgeausgleich und Fragen des Rechts­ und Datenschutzes reicht. Für kaum eine Frage, die sich in der Praxis stellt, sind im Werk nicht zumindest erste Linien zu finden.

  • Weiter ist es das erste umfassende Werk zur beruflichen Vorsorge, das von einem Experten verfasst worden ist, der nicht noch die Transformation des Systems ins BVG aktiv miterlebt hat. Dadurch lässt sich zwar die zeitliche Entstehungsgeschichte und lassen sich einzelne Fragen in der Darstellung etwas weniger klar historisch ablesen und herleiten; dafür gewinnt die Darstellung an systematischer und dogmatischer Geschlossenheit und erschliesst sich das Themengebiet mehr aus sich selbst heraus als in Abgrenzung zum früheren Rechtszustand.

Knapp die Hälfte des Buches ist dem zentralen Leistungsrecht gewidmet, das neben den Leistungen im Alter, den Invaliden­ und den Hinterlassenenleistungen auch die Freizügigkeitsleistung und die Wohneigentumsförderung umfasst. In wohldosiertem Mass wird zu den entsprechenden Ausführungen die höchstrichterliche Praxis zitiert und finden sich Hinweise auf Kontroversen in Rechtsprechung und Lehre.

Im Vordergrund stehen bei der Darstellung aber weniger die letztgenannten Fragen. Vielmehr geht es dem Autor in allen Teilen des Buches darum, die Grundzüge der Materie darzustellen und, darauf aufbauend, vereinzelt weiterführende Informationen zu vermitteln. Diesem Ansatz ist letztlich auch geschuldet, dass sich zu einigen Fragen, die in den letzten Jahren die Gemüter im Fachbereich bewegt haben (beispielsweise Fragen rund um den technischen Zinssatz, zum sog. Anrechnungsprinzip, zur Tragweite der Staatsgarantie bei Vorsorgeeinrichtungen öffentlich­rechtlicher Körperschaften, zur Bedeutung der VegüV, zu Vorgaben und Einschränkungen der Anlagepolitik usw.), zwar die geltenden und unbestrittenen Grundlagen finden, nicht aber weiterführende oder gar pointierte Stellungnahmen. Diese wohl bewusste Beschränkung wiederum dürfte der Alltags­ und Praxistauglichkeit des Werkes – das auch ohne solche Vertiefungen rund 600 Seiten umfasst – zuträglich sein.

Als sehr wertvoll für die (namentlich familienrechtliche) Praxis werden sich die aktuellen und konzisen Ausführungen zum Vorsorgeausgleich bei Scheidung erweisen, der seit der jüngsten Revision eine noch grössere Herausforderung darstellt. Dabei verliert sich die Darstellung nicht in Detailfragen, für die getrost auf entsprechende Kommentarwerke verwiesen werden kann, sondern werden die Grundzüge und Prinzipien auf knapp 15 Seiten nachvollziehbar dargelegt.

Besonders deutlich zeigt sich Hürzelers Expertise bei der Darstellung der Koordination der beruflichen Vorsorge mit anderen Sozialversicherungen und Schadenausgleichssystemen. Obwohl der Autor hier­ zu im Lauf seiner Karriere schon einige 100 Seiten publiziert hat, schafft er es, die Erkenntnisse in gut fassbarer Form auf knapp 30 Buchseiten systematisch gegliedert darzustellen.

Zu erwähnen ist schliesslich auch die gute und intuitiv nachvollziehbare Gliederung und leserfreundliche Formulierung des Textes. Die Leserinnen und Leser werden durch die klare Systematik gut geführt und mithilfe des ausführlichen Stichwortverzeichnisses auch an Stellen verwiesen, wo sie vielleicht nicht auf Anhieb nachgelesen hätten.

Kurzum: Das Buch ist gut gelungen, schön gestaltet, aktuell belegt und eben, wie bereits betont, ein neuer «Standard». Ohne vorgängige Konsultation des «Hürzelers» kann in den nächsten Jahren kaum mehr schlüssig argumentiert werden, wenn es um Fragen der beruflichen Vorsorge geht. Dementsprechend stellt sich für die Fachleute weniger die Frage, ob sie das Buch anschaffen wollen, als vielmehr das Problem, ob in spezialisierten Kanzleien und an Gerichten ein einziges Exemplar davon genügt!

 

Prof. Dr. iur. Thomas Gächter, Zürich

 

SZS Heft 5/2020, Literaturanzeige von Herr Prof. Dr. Thomas Gächter zum Werk "Berufliche Vorsorge Ein Grundriss für Studium und Praxis" von Marc Hürzeler

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